Klimapolitik wird auf Weltklimakonferenzen (COP), in der EU und in internationalen „Klimaclubs“ verhandelt – umgesetzt wird sie jedoch vor Ort. Städte und Gemeinden entscheiden über Wärmeplanung, Verkehr, öffentliche Beschaffung und lokale Investitionen. Genau hier lassen sich die grünen Leitlinien aus dem internationalen Dialog – Ausstieg aus fossilen Subventionen, 1,5‑Grad‑Pfad, Ausbau von Wind & Solar, fairer Handel über den CO₂‑Grenzausgleich (CBAM) sowie „Loss & Damage“ – in greifbare Projekte übersetzen. Das Ergebnis: saubere Luft, stabile Energiekosten, mehr Lebensqualität und ein verlässlicher Kurs Richtung Klimaneutralität.
Die grünen Leitlinien im internationalen Rahmen – und ihre Bedeutung vor Ort
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Ausstieg aus fossilen Subventionen: International anerkannt ist, dass „ineffiziente fossile Subventionen“ schrittweise beendet werden müssen. Kommunal bedeutet das: keine versteckten Vorteile mehr für Öl, Gas und Kohle in Haushalt, Flächenvergabe oder Infrastruktur (z. B. kostenfreie Parkflächen ohne Klimabindung, Flughafenausbau auf Kosten des ÖPNV). Die freiwerdenden Mittel fließen in Wärmewende, ÖPNV, Radwege und Gebäudesanierung.
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1,5‑Grad‑Pfad: Der Paris‑Kurs verlangt schnelle Emissionsminderungen in den 2020er Jahren. Kommunen übersetzen das in sektorale Zielpfade und verbindliche Klimaentwicklungspläne: z. B. kommunale CO₂‑Budgets, jährliche Reduktionsziele, Monitoring und ein „Klimacheck“ für alle Beschlüsse.
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Ausbau von Wind & Solar: Die EU und zahlreiche COP‑Beschlüsse setzen auf eine Vervielfachung der Erneuerbaren. Städte schaffen dafür Flächen, vereinfachen Genehmigungen, fördern Bürgerenergie und verankern Solarpflichten auf Dächern sowie PV‑Überdachungen von Parkplätzen.
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Fairer Handel/CBAM: Der europäische CO₂‑Grenzausgleich schützt klimafreundliche Produktion vor Wettbewerbsnachteilen. Für Kommunen heißt das: regionale Unternehmen beim Umstieg auf klimaneutrale Prozesse unterstützen (z. B. über Energieberatung, Grünstrom‑PPAs mit Stadtwerken, Industrie‑Wärmenetze) und in Ausschreibungen CO₂‑Kriterien verbindlich machen.
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Loss & Damage: Klimafolgen treffen den Globalen Süden besonders hart. Kommunale Antworten sind Solidarität und Resilienz: Klimapartnerschaften mit Städten im Globalen Süden, Aufstockung von Anpassungsbudgets (Hitzepläne, Schwammstadt, Starkregenvorsorge) und Bildungsprogramme gegen Desinformation.
Wärmewende konkret: Wärmepumpen, Nahwärme und Wärmeplanung
Die Wärme ist der dickste Brocken im städtischen CO₂‑Budget. Ihre Kommune kann:
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Verbindliche Wärmeplanung aufsetzen und jährlich fortschreiben: Wo lohnt sich die Wärmepumpe im Bestandsgebäude? Welche Quartiere werden an klimaneutrale (Ab-)Wärmenetze angeschlossen? Welche öffentlichen Gebäude dienen als Leuchttürme?
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Wärmepumpen strategisch fördern: Beratungsprogramme über die Verbraucherzentrale und die Stadtwerke bündeln, Handwerkskapazitäten aufbauen (Schulungsprogramme, lokale „Wärmepumpen‑Allianzen“), Genehmigungen beschleunigen, PV‑Stromnutzung mitdenken (PV+WP+Speicher).
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Nah- und Fernwärme dekarbonisieren: Abwärme aus Industrie, Rechenzentren und Kläranlagen nutzen, Großwärmepumpen und Solarthermie integrieren, Rücklauftemperaturen senken, Quartierslösungen entwickeln. Wo keine Netze kommen, setzt die Kommune auf Wärmepumpen‑Quartiere und Geothermie.
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Vorbildfunktion der Verwaltung: Städtische Liegenschaften auf Wärmepumpen und erneuerbare Wärme umrüsten, Energiecontrolling etablieren und Sanierungsfahrpläne öffentlich machen.
Bürgerenergie, Solarpflicht und die lokale Stromwende
Klimaneutralität gelingt schneller, wenn Bürgerinnen und Bürger profitieren:
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Solarpflichten einführen: Im Rahmen der Landesgesetzgebung Solarpflichten in Bebauungsplänen und städtebaulichen Verträgen verankern – für Neubauten, größere Dachsanierungen und Parkplätze. Dazu ein Solardachkataster, Beratungsangebote und Standardisierung (PV‑Check, unbürokratische Anmeldung).
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Bürgerenergie stärken: Kommunale Flächen vorrangig an Energiegenossenschaften vergeben, faire Pachtmodelle, Bürgerbeteiligung an Windparks und Solarfreiflächen, lokale Stromtarife der Stadtwerke mit Direktvermarktung von Bürgerstrom (Energy‑Sharing, sobald rechtlich verfügbar).
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Netz und Speicher mitdenken: Netzbetreiber frühzeitig einbinden, Transformator‑Upgrades planen, Quartiersspeicher testen und Mieterstrom in Mehrfamilienhäusern ausbauen.
Sichere Rad- und ÖPNV‑Netze statt Stau und Kostenfalle Auto
Mobilitätswende heißt: attraktiv, sicher, bezahlbar und zuverlässig.
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Sichere Radnetze: Durchgängige, breite und geschützte Radwege (Protected Bike Lanes), sichere Kreuzungen nach aktuellen ERA/FGSV‑Standards, Fahrradstraßen und sichere Abstellanlagen an ÖPNV‑Knoten.
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ÖPNV ausbauen: Taktverdichtungen, Busspuren, Priorisierung an Ampeln, Elektrifizierung der Busflotten, gute Umstiege und verlässliche Anschlussgarantien. Kommunale Job‑Tickets und Sozialtickets stärken die Nachfrage.
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Flächen gerecht verteilen: Parkraumbewirtschaftung, Anwohnerparken mit Klimakomponente, Aufenthaltsqualität in Quartieren erhöhen (Tempo 30, Schulstraßen, Shared‑Space nur wo sicher). Erlöse fließen zweckgebunden in Rad und ÖPNV.
Klimaneutrale Beschaffung und Divestment: Geldströme in die richtige Richtung lenken
Was die Kommune einkauft und investiert, setzt starke Signale:
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Klimaneutrale Beschaffung: CO₂‑Grenzwerte und Lebenszykluskosten in Ausschreibungen verpflichtend machen, Nachweis von Lieferkettenstandards (z. B. CBAM‑Kompatibilität und ISO‑Zertifikate), Mehrweg und Recycling bevorzugen, Pilotprojekte für klimafreundliche Baustoffe (Holz, zirkulärer Beton).
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Divestment: Kommunale Anlagen (inklusive Pensionsrücklagen) schrittweise aus fossilen Unternehmen umschichten. Anlageleitlinien mit Ausschlusskriterien (Kohle, Öl, Gas) und Positivliste (Erneuerbare, Effizienz, soziale Infrastruktur) beschließen. Stadtwerke investieren in lokale Erneuerbare statt in fossile Assets.
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Transparenz: Jährlicher Bericht zu Beschaffung und Anlagestrategie, inkl. CO₂‑Fußabdruck und Fortschritt in Richtung Netto‑Null.
Checkliste gegen Desinformation der Fossil‑Lobby
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Quelle prüfen: Wer finanziert Studie, Kampagne oder Kommentar? Gibt es Interessenkonflikte? Seriöse Quellen nennen Methoden und Daten.
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Fakten statt Mythen:
- „Wärmepumpen funktionieren im Altbau nicht.“ – Doch, mit Heizungshydraulik, niedriger Vorlauftemperatur und ggf. Flächenheizung; Hybridlösungen sind Übergangspfade. Praxis zeigt hohe Effizienz auch im Bestand.
- „Erneuerbare sind zu teuer.“ – Neue Wind‑ und Solaranlagen sind in der Regel die kostengünstigsten Erzeuger. Preisrisiken liegen heute vor allem bei Gas und Öl.
- „Radwege schaden dem Handel.“ – Studien aus vielen Städten zeigen: Mehr Fuß‑ und Radverkehr erhöht die Frequenz und Umsätze im lokalen Einzelhandel.
- „CBAM ist Protektionismus.“ – Der CO₂‑Grenzausgleich stellt gleiche Klimastandards sicher und schützt Unternehmen, die sauber produzieren.
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Rahmen einordnen: COP‑Beschlüsse, EU‑Recht (z. B. Green Deal, CBAM) und Bundesgesetze setzen Leitplanken; Kommunen besitzen dennoch großen Spielraum bei Wärme, Verkehr, Flächen, Beschaffung.
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Kommunikation: Fakten visuell aufbereiten, lokale Beispiele zeigen, Gegenargumente respektvoll entkräften und Bündnisse mit Wissenschaft, Handwerk und Wirtschaft vor Ort pflegen.
Best‑Practice aus grünen Kommunen
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Freiburg im Breisgau: Frühzeitiger Ausbau des Radnetzes, Quartiere wie Vauban mit geringer Autodichte, starke Bürgerenergie‑Landschaft und konsequente Solarförderung.
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Tübingen: Ambitionierte Klimaziele, Solarpflicht für Neubauten und bei größeren Dachsanierungen, deutliche Parkraumbewirtschaftung zur Finanzierung der Verkehrswende und ein strenger Klimacheck für Vorlagen.
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Heidelberg: Bahnstadt als größtes Passivhaus‑Quartier der Welt, Ausbau klimaneutraler Fernwärme und frühe kommunale Wärmeplanung.
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Münster: Führende Fahrradstadt mit dichtem Netz, Elektrifizierung der Busflotte und aktive Energiegenossenschaften in Kooperation mit den Stadtwerken.
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Konstanz: Frühe Ausrufung des Klimanotstands, strukturiertes Klimaschutzprogramm, stärkere Orientierung der Beschaffung an Nachhaltigkeitskriterien.
Diese Beispiele zeigen: Ambition und Umsetzungsstärke zahlen sich aus – sozial, ökologisch und wirtschaftlich.
So bauen Sie lokale Mehrheiten, bringen Anträge ein und vernetzen sich
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Ziel definieren: Wählen Sie ein konkretes Vorhaben mit messbarem Nutzen (z. B. „Solarpflicht im Neubaugebiet X“, „geschützte Radspur auf Achse Y“, „kommunale Divestment‑Richtlinie“).
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Fakten und Verbündete sammeln: Daten aus Klimabilanz, Lärm‑ und Luftreinhalteplänen, Unfallstatistik, Energiekosten. Verbündete in Handwerk, Vereinen, Schulen, Gewerbe und Wissenschaft ansprechen.
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Beschlussvorlage entwickeln: Kurz begründen, Rechtsrahmen klären (Landesrecht, Bundesrecht, EU‑Vorgaben), Kosten‑Nutzen aufzeigen, Fördermöglichkeiten benennen, Zeitplan und Verantwortlichkeiten definieren. Bestehende Muster nutzen.
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Politische Mehrheiten organisieren: Gespräche mit Fraktionen – insbesondere den Grünen – frühzeitig führen, Änderungswünsche aufnehmen, Öffentlichkeit informieren (Pressegespräch, Infoabend, Social Media).
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Beteiligung aktivieren: Bürgersprechstunden, Werkstattformate, Online‑Beteiligung und Pilotphasen nutzen. Je greifbarer der Nutzen, desto stabiler die Mehrheit.
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Verfahren kennen: Je nach Landesrecht sind Einwohnerantrag, Bürgerbegehren oder Einwohnerfragestunde möglich. Fristen, Quoren und Formvorgaben beachten; Unterstützung durch zivilgesellschaftliche Gruppen einholen.
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Dranbleiben: Fortschritt transparent machen, Erfolge feiern, nächste Schritte frühzeitig planen (z. B. Skalierung vom Pilot zur Stadtweite).
Mitmachen: Termine, Tools und weiterführende Infos
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Termine und Veranstaltungen: Aktuelle Aktionen, Schulungen und Vernetzungstreffen finden Sie hier:
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Mitmach‑Tools:
- Newsletter‑Anmeldung für Updates und Einladungen
- Vorlagen für Anträge (Solarpflicht, Divestment, Radnetz, klimaneutrale Beschaffung)
- Leitfäden zur Wärmeplanung, Bürgerenergie und Beteiligung
- https://fuckingfossilfuel.com
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Unser Blog: Best‑Practice, Argumentationshilfen, Daten‑Links und Interviews:
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Hintergrund zu internationalen Rahmenwerken:
Wenn Sie die Übersetzung globaler Klimaziele in lokale Politik glaubwürdig, schnell und sozial gerecht gestalten wollen, sind die oben beschriebenen Hebel praxistauglich und wirkungsvoll. Gemeinsam mit den Grünen vor Ort können Sie Mehrheiten gewinnen, Beschlüsse durchbringen und Ihre Stadt auf 1,5‑Grad‑Kurs bringen – vom Parteitag bis in den Bauausschuss, von der COP in die Kommune.









